Anspielungen im Sandmann - noch zeitgemäss?

20. Dezember 2024
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Das Buch ‘Der Sandmann’ von E.T.H. Hoffmann wurde in der Epoche der Romantik verfasst. Dementsprechend findet man eine Fülle an Andeutungen oder Phrasen in der Geschichte. In diesem Blogeintrag soll es um das erschwerte Verständnis dieser Phrasen gehen und dessen mögliche Gründe. Die Version des Textes ‘Der Sandmann’, welche meine Klasse und ich gelesen haben, beinhaltet einen Kommentar im zweiten Abschnitt des Buches. Ich möchte mit diesem Blogeintrag die Notwendigkeit dieses Kommentarabschnitts unterstreichen, besonders der ‘Wort- und Sacherläuterungen’. 

Beim Lesen des Textes sind mir immer wieder die oben erwähnten Andeutungen und Phrasen begegnet. Ich erläutere kurz, was ich damit meine: Es handelt sich um Wörter, welche mit eckigen Klammern versehen sind und im Kommentar genauer erklärt und kontextualisiert werden. Warum sind sie wichtig und nötig für ein gutes Verständnis des Textes? Die Antwort ist simpel: Der Text wurde vor rund zweihundert Jahren verfasst und für das damalige Publikum geschrieben. Das Problem ist aber, dass ebendieses Publikum andere Wertvorstellungen hatte und sich mit anderen ‘aktuellen’ Sachen befasste als die heutige Gesellschaft. Somit gestaltet sich das Verständnis des Textes für das zeitgenössische Publikum eher schwierig, weil intertextuelle Bezüge und tiefere Bedeutungen der Wörter oft überlesen werden. All dies haben im Deutschunterricht in der Klasse besprochen und aus meiner Perspektive kann ich dem nur zustimmen. Ich habe während des Lesens von ‘Der Sandmann’ nämlich die Erfahrung gemacht, dass ich die prinzipiell wichtigen Stellen überlas oder erachtete sie schlichtweg als unwichtig. Ich habe also den Text gelesen, ohne auf das Glossar, d.h. die Wort- und Sacherläuterungen hinten im Buch zu achten und verstand somit viele Stellen gar nicht. Als im Unterricht dann vermehrt auf dieses Glossar verwiesen und aufmerksam gemacht wurde, las ich dieses durch. In der Tat verhalf es mir zu einem besseren Verständnis des Textes, was ich nun an zwei Beispielen erläutern möchte. 

Im ersten Brief von Nathanael an Lothar wird auf einen intertextuellen Bezug auf den deutschen Schriftsteller Schiller verwiesen. Die Textstelle lautet: «…als flehe ich euch an, mich auszulachen, in wahnsinniger Verzweiflung, [wie Franz Moor den Daniel].» Für das zeitgenössische Publikum war die Anspielung auf Schillers Werk ‘Die Räuber’ von 1782 durch die Namen ‘Franz Moor und Daniel’ wohl sofort deutlich gewesen, da das Werk damals hoch aktuell war. Heutzutage sieht dies aber schon anders aus: Der Name Friedrich Schiller ist zwar noch bekannt -auch, dass er ein deutscher Schriftsteller gewesen war- jedoch kennt man seine Werke oftmals nicht. Ich verweise darauf, dass diese Aussage nicht unbedingt auf jeden zutreffen muss, aber in der Klassendiskussion wurde schnell klar, dass dieser intertextuelle Bezug durch die Namen von zwei Figuren aus Schillers Werk nicht verstanden wurde. Auch ich habe die Textstelle einfach überlesen. Denn durch den Vergleich der Figuren aus den Werken soll die Gemüts- und Gefühlslage von Nathanael deutlich gemacht werden. Genau wie Franz Moor hat Nathanael ‘Angstträume’ und bittet fast verzweifelt darum, dass jemand ihm sagen soll, dass dies alles nicht real sei. Der Vergleich gibt uns Lesern also mehr Informationen über den Charakter von Nathanael, welche man aber ohne dieses Wissen über die Figur Franz Moor nicht hätte. 

Ein weiteres Beispiel: Es stecken auch viele abergläubische Bräuche in den Zeilen des Textes ‘Der Sandmann’. Diese Art der Anspielungen verstand ich im Gegensatz zu anderen Phrasen relativ gut. Auch in der Klasse waren die Deutung von Abergläubischen Symbolen, z.B. gewisse Zahlen, nicht sonderlich schwierig. Daraus schliesse ich, dass für das zeitgenössische Publikum diese Form der Anspielung gut genug verständlich ist. Ein konkretes Beispiel: ‘Mittags um 12 Uhr’. Ich wusste schon vor der Lektüre des Glossars im Kommentar, dass die zwölfte Stunde als Geisterstunde gilt, auch wenn ich ein wenig verwirrt war, warum es mittags hiess und nicht ‘Um Mitternacht’. Denn nach meinem Wissensbild ist die Geisterstunde typischerweise um Mitternacht, doch hier half mir das Glossar auf die Sprünge. Es erklärt, dass die zwölfte Stunde, d.h. egal ob um Mitternacht oder mittags, im griechischen Glauben die Stunde war, in welcher der Gott Pan panischen Schrecken verbreitet. Weiter steht dort geschrieben, dass Hoffmann diese Geisterstunde häufig in seinen Geschichten verwendet. 

Man sieht also klar, dass der Kommentar des Buches eine nützliche und wichtige Quelle ist, um das Verständnis zu fördern, zu vertiefen und zu unterstützen. Für zukünftige Literaturprojekte mit Texten, welche vor langer Zeit geschrieben wurden, würde ich mir wünschen, ausschliesslich Bücher zu lesen, welche ein solches Glossar, d.h. ein Wort- und Sacherläuterungsabschnitt haben. Mit den Erklärungen lassen sich viele Phrasen und Wörter erklären und schaffen so ein angenehmeres Lesen.