Die Sprachclans - Verwandtschaft der Sprachen

16. Februar 2025
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Während einigen Wochen haben meine Klasse und ich uns in das Thema Sprachgeschichte eingearbeitet. Ich möchte zunächst einige Eindrücke aus den damaligen Deutschunterrichtslektionen festhalten:

Die Klasse arbeitete mit einem Dossier, welche verschiedenste Aspekte der Sprachgeschichte erläuterte, anhand von Beispielen. Es gab weder Frontalunterricht noch sonst eine Unterrichtsform, bei welcher die Lehrperson der ganzen Klasse Fakten erklärt. Das Dossier sollte im Selbststudium erarbeitet werden, jedoch standen zwei Lektionen als Kolloquien bereit, d.h. eine Diskussionsrunde über das Gelernte, wie sie in Universitäten durchgeführt werden. Das erste Kolloquium funktionierte leider nicht so gut und endete in einer Fragerunde, bei welcher die Klasse dann den Erklärungen des Deutschlehrers lauschte und nicht mehr selbst über die Texte diskutierte. Das zweite Kolloquium war eher ein Gemisch zwischen Diskussions-/ und Fragerunde, lief aber deutlich besser als das erste.

Nun zum Inhalt des Dossiers: Es beinhaltet vier Kapitel mit diversen Unterkapiteln. Die behandelten Aspekte sind sowohl von geschichtlichem und auch grammatikalischem Ursprung. Unter anderem wird verdeutlicht, dass die Erkenntnisse der Sprachgeschichte eine grosse Hilfe für die Etymologie darstellen. Die Etymologie ist die Wissenschaft, welche sich mit der Herkunft, Bedeutung und Geschichte der Wörter befasst. Auch die Verbreitung der Sprachen wird erklärt. So findet man eine Antwort auf die Frage, warum Englisch praktisch überall gesprochen wird. Die Engländer besassen ein gigantisches Kolonialimperium und die kolonialisierten Völker übernahmen gezwungenermassen die Sprache ihrer Kolonialherren. An diesem Beispiel sieht man gut die Verbindung zwischen Sprache und Geschichte, denn die Kolonialgeschichte der Engländer trug zur Verbreitung der englischen Sprache bei.

Das erste Kapitel des Dossiers konzentriert sich v.a. auf die Entstehung der deutschen Sprache, welche von der germanischen Sprachgruppe entspringt. Es wird erklärt, dass eine Sprachverwandtschaft zwischen europäischen Sprachen besteht, da sie alle auf eine gemeinsame Sprache zurückzuführen sind: die indoeuropäische Ursprache. Fast die Hälfte der Weltbevölkerung spricht heute eine Sprache der grossen indoeuropäischen Sprachfamilie. Die Ursprache hat sich im Verlauf der Jahrhunderte immer wieder aufgespalten und verändert und brachte so neue Sprachgruppen hervor, z.B. die germanische Sprachgruppe, aus welcher später dann Deutsch, Englisch oder Schwedisch entstand, oder auch die italische Sprachgruppe, zu welcher die romanischen Sprachen, Spanisch, Französisch und Italienisch gehören. Das zweite, dritte und vierte Kapitel des Dossiers legen den Fokus auf den grammatikalischen Aspekt der Sprachgeschichte, d.h. wie sich die Sprachen im Verlauf der Jahre grammatikalisch voneinander abgegrenzt haben. Ein Beispiel sind die Lautverschiebungen, welche zur Abspaltung der germanischen Sprachfamilie von der indoeuropäischen Sprache führte und später zur Abspaltung der deutschen Sprache der germanischen Sprachfamilie. Auf diese Kapitel werde ich in diesem Eintrag aber nicht näher eingehen.

Im nächsten Teil dieses Textes möchte ich meine Gedanken zu den Alltagserfahrungen erläutern, welche ich mit der Verwandtschaft der Sprachen gemacht habe.

Meine Muttersprache ist Italienisch. Diese Sprache gehört der romanischen Sprachgruppe an, genau wie Französisch, welche sich aus dem Latein gebildet hat. Meine Erfahrung zeigt, dass diese Verwandtschaft der Sprachen sehr nützlich ist, da ich beim Französisch lernen oft auf meinen italienischen Wortschatz zurückgreifen und mir französische Vokabeln einfacher merken kann. Ein Beispiel ist das franz. Wort ‘livre’, welches auf Deutsch ‘Buch’ bedeutet. Diese beiden Wortstämme sehen unterschiedlich aus, obwohl sie denselben Gegenstand bezeichnet. Hingegen bedeutet ‘livre’ auf Italienisch ‘libro’ und hat somit einen ähnlicheren Wortstamm. An diesem Beispiel sieht man gut, dass die Sprachen Französisch und Deutsch keine enge Verwandtschaft haben, d.h. sich schon früh in zwei verschiedene Sprachgruppen aufgeteilt haben. Die Faustregel, welche ich mir in den Sprachgeschichtswochen definiert habe, lautet: Je länger zwei Sprachen in derselben Sprachgruppe bleiben und ihre Trennung durch grammatikalische Veränderungen zeitlich nicht allzu lange zurückliegt, dann sind sich die Wortstämme der Wörter dieser Sprachen ähnlich. Entscheidend erscheint mir, dass die beiden Sprachen zur gleichen Sprachgruppe gehören, denn auch das Spanische und das Italienische sind sich z.T. sehr ähnlich. Beide stammen von der lateinischen Sprache ab und gehören zur gleichen Sprachgruppe. Deswegen verstehe ich Spanisch gut, obwohl ich nie diese Sprache gelernt habe. Dasselbe funktioniert meiner Erfahrung nach mit Deutsch und Schwedisch: Einige schwedische Wörter kann ich ohne Sprachvorkenntnisse übersetzen, da beide Sprachen eng miteinander verwandt sind und zu der germanischen Sprachgruppe gehören.

Es gibt jedoch auch einen negativen Aspekt, wenn man Sprachen lernen will und dabei eine andere Sprache als Ansatzpunkt nimmt. Ein Beispiel, welches ich vor kurzem beim Französisch lernen bemerkt habe: das franz. Wort ‘bougie’ habe ich mir mit dem ital. Wort ‘bugia’ gemerkt, da sich die Wörter sehr ähnlich anhören und bin gleichzeitig davon ausgegangen, dass ‘bougie’, genau wie das ital. Wort, ‘Lüge’ bedeutet. Dem ist aber nicht so, denn ‘bougie’ bedeutet eigentlich ‘Kerze’. Aus diesem Beispiel geht hervor, dass zwar einen ähnlichen Wortstamm gegeben sein kann, jedoch die Wortbedeutung eine völlig andere sein kann.

Abschliessend kann ich sagen, dass mir das Thema Sprachgeschichte gefallen hat, sowie auch die Erfahrung, sich selbst in ein Themengebiet einzuarbeiten, ohne eine Lehrperson, die sogleich alles erklärt.